Raphael Koch, 07 Januar 2009: “Srila Prabhupada hat den Wissenschaftlern immer vorgehalten, sie würden nicht mit offenen Karten spielen, sondern bewußt die Menschheit täuschen. Dies scheint sich jetzt zu ändern, und Aussagen wie, “Wir haben 12 große Fragen”, sind wohl schon einmal ein Anfang in die richtige Richtung. Was tat Gott, bevor er Himmel und Erde schuf? Warum sind wir nicht unsterblich, wie funktioniert das Universum? Fragen welche die moderne Wissenschaft beschäftigt.”
Die 12 großen Fragen der Wissenschaft
http://www.zeit.de/zeit-wissen/2009/01/Titelstrecke-Frage12-Wissenschaft
Manche Rätsel wird die Wissenschaft vielleicht nie lösen können. Doch wo Forscher an die Grenzen des Bekannten stoßen, entwickeln sie einen besonderen Entdeckergeist. ZEIT Wissen stellt die wichtigsten Fragen aus Physik, Biologie, Medizin, Mathematik und Geologie vor – und zeigt, wie leidenschaftlich die Suche nach den Antworten sein kann.
Es hatte den Anschein, als wollte David Gross seine Kollegen piesacken und hätte auch noch Spaß daran. Kaum hatte er den Nobelpreis für Physik bekommen, präsentierte er ihnen eine Liste der wichtigsten offenen Fragen seines Fachs. Er habe die anderen Physiker aber nicht ärgern wollen, sagt Gross: »Fundamentale Fragen spornen die Leute an.«
Große Rätsel befeuern nicht nur die Neugier von Wissenschaftlern aller Disziplinen, sie weisen ihnen auch den Weg.
Wissenslücken sind deshalb kein Versagen der Forschung, sondern im Gegenteil großartige Gelegenheiten: Hier gibt es noch etwas zu entdecken!
Immer wieder haben Wissenschaftler gedacht, sie hätten alle grundlegenden Fragen beantwortet. Bis jetzt lagen sie damit jedes Mal falsch. Im Jahr 1900 behauptete der Physiker William Thomson noch, in seinem Fach sei eigentlich alles geklärt bis auf zwei kleine Wölkchen, die den strahlend blauen Himmel der Erkenntnis trübten: das Rätsel der Lichteigenschaften und das Problem der Schwarzkörperstrahlung. Fünf Jahre später fand Albert Einstein revolutionäre Lösungen für beides, die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik. Sie beantworteten nicht nur die offenen Fragen, sondern warfen das fast fertige Weltbild der Physiker über den Haufen.
Heute ergeht es den Biologen ähnlich wie Einsteins Kollegen vor 100 Jahren: Ihr Wissen über den Menschen ist plötzlich nicht mehr viel wert. Als im Jahr 2003 die Entzifferung des menschlichen Genoms gefeiert wurde, dachten viele Wissenschaftler, sie könnten nun einfach im »Buch des Lebens« lesen, alle Buchstaben waren ja da! Sie hatten sich zu früh gefreut – aus neuen Antworten ergeben sich eben neue Fragen. Heute sind die Genetiker ratloser denn je:
Statt einer übersichtlichen Aufreihung fanden sie im Genom eine konfuse Sammlung von Erbinformationen, deren Zusammenspiel noch niemand versteht.
Die Fragen der Biologie haben wohl die größte Bedeutung für jeden Einzelnen von uns. Denn davon, ob die Wissenschaftler die fundamentalen Prozesse des Lebens entschlüsseln, hängen Antworten auf große Rätsel der Menschheit ab – wie etwa auf die Frage, ob wir alle Krankheiten besiegen können.
Man muss jedoch nicht bis in Genlabore vordringen, um auf ungeklärte Phänomene zu stoßen. Es reicht, ins Bett zu gehen. Denn selbst warum wir ein Drittel unseres Lebens schlafend verbringen, wissen die Forscher noch nicht. Eine Antwort könnte Menschen mit Schlafproblemen helfen, vielleicht aber auch dazu beitragen, ein weit größeres Geheimnis zu lüften: Wie funktioniert das Bewusstsein?
Manche Fragen spielen im Alltag keine so große Rolle – etwa, was vor dem Urknall war oder woraus das Universum besteht. In ihnen liegt vor allem der Reiz des Rätsels, sie sind Antrieb für Generationen von Forschern. Und selbst wenn die Wissenschaftler nicht die großen Antworten finden, so machen sie auf der Suche danach immer wieder wichtige Entdeckungen. Stefanie Schramm
1.Was ist Realität?
LEESN SIE ENIMAL deiesn Txet. Wtteen, Sie vetsehern ihn, owbhol er egitenilch uverntsädnilch ist? Mit solchen Leseexperimenten hat der Linguist Graham Rawlinson nachgewiesen, dass man Texte auch versteht, wenn die Buchstaben vertauscht sind. Der Versuch zeigt, wie sehr unser Leseverständnis von unserem Vorwissen geprägt ist, und belegt damit: Sehen heißt konstruieren. Statt die Wirklichkeit objektiv wahrzunehmen, sind wir ständig dabei, sie zu interpretieren. Was wir naiverweise für real halten, hängt deshalb stark von unserer persönlichen Deutung ab.
Im Licht der Entwicklungsgeschichte sind solche Realitätsverzerrungen verständlich. Unser Wahrnehmungsapparat ist ein evolutionäres Produkt. Das menschliche Gehirn hatte dabei nie die Aufgabe, die Außenwelt vollständig und objektiv abzubilden, sondern so, wie es die Bedürfnisse des Homo sapiens erfordern.
Ein schönes Beispiel für unser subjektives Realitätsempfinden ist das Phänomen der Zeit. Auf dem Zahnarztstuhl dehnen sich Minuten zu Stunden. Aber je mehr wir die Zeit auskosten wollen, desto schneller rast sie dahin. Für dieses schwankende Zeitgefühl haben Psychologen eine Fülle von Faktoren zutage gefördert – zum Beispiel: Je unangenehmer und monotoner eine Situation ist und je weniger wir aktiv sind, desto langsamer scheint die Zeit zu vergehen.
Aber was ist mit der physikalischen Zeit? Gibt es nicht doch einen unverrückbaren Takt des Universums? Einstein definierte pragmatisch: »Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.« Und in seiner Relativitätstheorie zeigte er, dass jede Zeitmessung von der Bewegung des Betrachters abhängt. Von der Erde aus gesehen, geht eine Uhr in einem schnellen Raumschiff etwas langsamer. Das wurde mit Atomuhren tatsächlich nachgewiesen.
Und auch was die Wirklichkeit der Materie angeht, stoßen die Physiker an Grenzen. In der Dimension von Atomen lässt sich die Realität nie ungestört beobachten, sondern wird durch jede Messung beeinflusst. Der Grund für dieses »Beobachterproblem«: In der Welt des ganz Kleinen ist das Mittel der Beobachtung (Licht oder Röntgenstrahlen) notgedrungen von derselben Größenordnung wie das beobachtete Objekt.
Atomphysiker sind daher permanent in der Situation von Blinden, die ihre Umgebung ertasten müssen, um sich von ihr ein Bild machen zu können – und die mit jeder Berührung ihre Umwelt verändern.
Überdies bestehen Atome zu über 99 Prozent aus leerem Raum. Und die restlichen Bestandteile wie Elektronen und Atomkerne lassen sich in noch elementarere Partikel zerlegen, darunter die Quarks und das ominöse Higgs-Teilchen.
So mussten ausgerechnet die materiell denkenden Physiker in den vergangenen Jahrzehnten erleben, wie ihnen die Materie gleichsam unter der Hand zerbröselte.
Wie man es auch dreht und wendet: Bei der Frage nach der Realität landen wir am Ende bei uns selbst, bei den Begrenzungen und kulturellen Prägungen der menschlichen Wahrnehmung. Vielleicht lautet die beste Antwort auf die Frage nach der Realität daher einfach so: Realität ist stets das, was wir dafür halten.
ULRICH SCHNABEL
2.Warum sind wir nicht unsterblich?
PRINZIPIELL ist Unsterblichkeit nicht unmöglich. Experten sind sich sicher, dass das Leben des Menschen, etwa durch genetische Manipulation, zumindest verlängert werden könnte. Bei vielen Tieren ist das schon gelungen. Der erste Beweis, dass die Lebenszeit veränderbar ist, gelang dem amerikanischen Altersforscher Michael Rose 1991: Er züchtete extrem langlebige Fliegen und bewies damit, dass die Alterung zum Teil genetisch gesteuert ist. Das war der Startschuss für die genetische Altersforschung. Seither haben die Genetiker einen ganzen Zoo von Methusalemtieren gezüchtet, etwa Mäuse, die bis zu 26 Prozent länger leben als ihre Artgenossen.
Es gibt auch eine alltagstaugliche, jedoch rabiate Methode: Tierexperimente zeigen, dass eine dauernde Mangeldiät das Leben verlängert – vermutlich, weil der Stoffwechsel heruntergefahren wird und der sogenannte oxidative Stress im Organismus abnimmt. Zweifelhaft ist aber, ob das auch bei Menschen funktioniert. Ob man 100 Jahre hungern will, um 100 zu werden, ist eine andere Frage.
Auch ohne solche Qualen ist die durch-schnittliche Lebenserwartung der Menschen in den vergangenen 170 Jahren um 40 Jahre gestiegen: in jeder Dekade gleichmäßig um 2,5 Jahre. Gründe dafür waren etwa die Fortschritte in Medizin und Hygiene.
Trotzdem ist noch immer rätselhaft, wie die Uhr im Körper genau tickt, wie Gene und Umwelt zusammenwirken und uns altern lassen. Warum manche Fliegen binnen weniger Stunden verenden, manche Menschen bis zu 120 Jahre in Gesundheit leben und kalifornische Sequoia-Bäume 4000 Jahre dem Tod trotzen, bleibt vorerst ein Geheimnis.
Einen wichtigen Grund aber gibt es, warum wir sterben müssen: die Evolution. Sie braucht den Tod, und ohne sie würden wir nicht existieren. Weil Individuen unterschiedlich sind, funktionierten manche besser und können sich häufig fortpflanzen, während andere benachteiligt sind und sterben, ohne ihre Gene weiterzugeben. Dabei entstehen neue Arten. Gäbe es dieses Gesetz der Evolution nicht, wären nie Menschen entstanden, die sich fragen: Warum sind wir nicht unsterblich? ULRICH BAHNSEN
3.Gibt es die Weltformel?
DAS GANZE UNIVERSUM in eine Formel zu fassen, die auf ein T-Shirt passt: Das ist der große Traum der Physiker. Von jeher versuchen sie, ihre Theorien so zu vereinheitlichen, dass nur eine übrig bleibt – die »Theorie von allem«.
Mittlerweile sind sie ziemlich entnervt. »Der Boden der Physik ist übersät mit Leichen von vereinheitlichten Theorien«, sagte Freeman Dyson einmal. Derzeit zanken zwei Denkschulen – die Stringtheorie und die Schleifen-Quantengravitation – um den richtigen Ansatz.
Doch beiden mangelt es an Beweisen. Eine Weltformel müsste alle Elementarteilchen erklären und die Kräfte, die zwischen ihnen wirken. Im Urknall, so die Annahme, gab es nur eine Kraft. Die habe sich dann in die heute bekannten Grundkräfte aufgespalten: den Elektromagnetismus, die schwache und die starke Wechselwirkung und die Gravitation.
Die schwache Wechselwirkung wirkt zwischen Teilchen, die starke hält die Quarks in den Teilchen zusammen.
Vor vierzig Jahren wurden der Elektromagnetismus und die schwache Wechselwirkung vereint, die starke Wechselwirkung bleibt bis heute außen vor. Das aktuelle Standardmodell mit seinen 17 Teilchen enthält zwar diese drei Kräfte, vereinigen kann es sie nicht. Außerdem fehlt die Gravitation.
Die Schwerkraft hat sich im Projekt Weltformel als besonders sperrig erwiesen. Einstein hat sie in der Relativitätstheorie beschrieben. Die gilt für Galaxien, das ganz Große also. Für das ganz Kleine, die Elementarteilchen, gilt die Quantentheorie. Beide vertragen sich nicht, weil ihre Konzepte von Raum und Zeit unterschiedlich sind. Das macht nichts, solange das Kleine Klein bleibt und das Große groß. Vor dem Urknall aber war das Universum auf winzigem Raum geballt, sodass in der ersten Sekunde beide Theorien eine Rolle spielten. Das funktioniert mathematisch nicht.
Der beste Kandidat für eine allumfassende Theorie ist derzeit die Stringtheorie, nach der die Teilchen schwingenden Saiten gleichen. Die Vorteile: Da die Strings eine Ausdehnung haben, schrumpft das Universum im Urknall nicht auf null. Das Matheproblem ist gelöst. Und aus den Formeln purzelt ein Schwerkraft-Teilchen heraus, das Graviton. Die Nachteile: Es sind elf Dimensionen nötig, damit die Theorie funktioniert, Zudem wird man sie kaum prüfen können, denn sie hat wohl unendlich viele Lösungen. Mit dem Teilchen-beschleuniger LHC am Cern wollen die Physiker zumindest nach ersten Indizien für die Stringtheorie suchen, den supersymmetrischen Teilchen.
Die Schleifen-Quanten-Gravitation dagegen geht davon aus, dass Raum und Zeit nicht kontinuierlich sind, sondern in Krümel zerfallen. Die könnten einen Lichtstrahl beeinflussen, der zehn Milliarden Jahre durchs All unterwegs war. Das Teleskop Glast soll diese Veränderungen aufspüren, mehr als ein erster Hinweis wäre das aber nicht.
Der Nobelpreisträger Robert Laughlin rät schon dazu, sich von der Weltformel zuverabschieden: Nicht alle Phänomene ließen sich auf fundamentale Gesetze zurückführen. Auf dem Weltformel-Friedhof wird es wohl noch voller. STEFANIE SCHRAMM
4. Was geht im Erdkern vor?
EIGENTLICH steht alles im Erdkundebuch: Unser Planet verbirgt unter seiner Kruste einen Mantel aus heißem Gesteinsbrei und in seinem Innersten einen Kern aus einer Eisen-Nickel Legierung. Dieses Standardmodell ist jedoch viel zu grob. Noch immer gilt, was Jules Vernes Professor Lidenbrock in der Reise zum Mittelpunkt der Erde seinem Neffen Axel sagte: »Weder Du noch irgendein Mensch weiß einigermaßen zuverlässig, was im Inneren des Erdballs vorgeht.«
Bohrversuche von Amerikanern und Russen in den 60er und 70er Jahren scheiterten jämmerlich: Als das Gestein zu weich und zu heiß für die Bohrer wurde, hatten die Forscher gerade mal die Erdoberfläche angekratzt.
Für den Rest der rund 6370 Kilometer bis zum Zentrum müssen Geowissenschaftler sich deshalb immer noch auf ihre ältesten Instrumente verlassen: Erdbebenmessgeräte. Sie zeichnen auf, wie sich Erschütterungen durch den Körper des Planeten ausbreiten. Anhand dieser Daten interpretieren Seismologen die Grenzen zwischen Kruste, Mantel und Kern.
Viele Fragen sind trotzdem noch offen: Wann erfolgte die Kernbildung? Gibt es einen chemischen Austausch zwischen Kern und Mantel? Und welche Temperaturen herrschen im Kern? Hierzu gibt es zumindest Schätzungen: An der Grenze von innerem zu äußerem Kern könnte die Temperatur zwischen 6000 und 7000 Grad Celsius liegen.
Klar ist, dass im flüssigen äußeren Kern ein ziemliches Durcheinander herrschen muss. Dort wird ständig heißes Metall umgewälzt und so das Magnetfeld der Erde aufrechterhalten. Wie? Dazu gibt es bisher bloß Theorien.
Was dort vor sich geht, wollen Geologen irgendwann mit einem Röntgenblick von der Erdoberfläche aus erforschen.
So hochauflösend, dass auch winzige Unterschiede im äußeren Kern sichtbar werden. Dafür müsste das Netz der Messstationen aber viel dichter sein.
Abhilfe könnten »seismische Arrays« schaffen, Verbünde von Stationen, die an wenigen, repräsentativen Stellen der Erdoberfläche sehr dicht aufgestellt wären. Ihre Ergebnisse könnte man hochrechnen – und vielleicht sogar Strömungs- und Temperaturunterschiede erkennen.
Der Nachteil: Auch damit wäre die Menschheit dem Mittelpunkt der Erde noch kein Stück näher gekommen. STEFAN SCHMITT
5. Was war vor dem Urknall?
WAS TAT GOTT, bevor er Himmel und Erde schuf? Er machte die Hölle für diejenigen, die solche Fragen stellen.
Schrieb Augustinus. Die Physiker schreckt das nicht. Die offizielle Version lautet zwar: Es gibt kein »vor dem Urknall«, denn auch die Zeit ist erst mit dem Big Bang entstanden. Wenn Kosmologen unter sich sind, spekulieren sie aber munter über die Zeit vor dem Urknall.
Das Urknallmodell, so viel ist richtig, steht auf einem soliden Fundament. Astronomen beobach-ten, dass sich die Galaxien rasend schnell voneinander entfernen. Daraus schließen sie, dass alle Materie einst in einem unheimlich dichten Punkt konzentriert war. Um die allererste Sekunde zu beschreiben, braucht man aber eine Theorie, die Relativitäts- und Quantentheorie vereint: die Weltformel (siehe Frage 3). Sie könnte auch einen Hinweis darauf geben, was vor dem Urknall war. Der beste Kandidat, die Stringtheorie, ist zwar noch lange nicht fertig, trotzdem haben die Kosmologen sie schon einmal auf den Beginn des Universums angewendet. Die Ergebnisse:
1. Das zyklische Universum (Big Bounce)
Kurz vor dem Urknall driftete unsere Welt durch ein höherdimensionales Universum – laut String-theorie hat das Universum bis zu elf Dimensionen. Eine zweite Welt driftete ebenfalls durch diesen Hyperraum. Beide Welten begannen sich anzuziehen und – Whammmm!!! – stießen kurzzeitig zusammen. Das ist der Big Bounce (großer Rückprall). Dann dehnte sich unser Weltall wieder aus. Nach einigen Trillionen Jahren wird die Materie extrem verdünnt sein, der nächste Zusammenstoß mit der Parallelwelt steht bevor, und alles beginnt von vorne. »Eine Kollision hat ein Davor und ein Danach«, sagt Paul Steinhardt von der Princeton University, einer der Urheber des Modells. »So kommen wir von der Idee weg, dass der Urknall der Anfang sein musste.«
2. Das Multiversum
Vor einigen Jahren dämmerte den Stringtheoreti-kern, dass ihre Theorie nicht nur eine, sondern unendlich viele Lösungen hat, Vielleicht, so spekulieren einige prominente Physiker, beschreibt ja jede dieser Lösungen ein real existierendes Universum in einem gigantischen Multiversum. Unser Universum wäre nur eines von vielen, neue Universen entstünden wie Bläschen in einem Schaumbad. Die Antwort auf die Frage, was vor dem Urknall war, würde dann lauten: andere Universen anderswo.
Bislang sind beide Szenarien nicht mehr als kühne Spekulationen. Um sie zu erhärten, müsste erstens die Stringtheorie weiter fortgeschritten sein. Zweitens braucht es empirische Belege.
In einem zyklischen Universum hätte zum Beispiel die schwache Mikrowellenstrahlung – das Echo des Urknalls – andere Eigenschaften als im herkömmlichen Big-Bang-Universum. Moderne Satellitenteleskope könnten den Unterschied in den nächsten Jahren vielleicht nachweisen.
Die Idee vom Multiversum scheint dagegen prinzipiell nicht überprüfbar zu sein, deshalb ist der Widerstand groß. Der Nobelpreisträger David Gross nennt das Multiversum eine »gefährliche Idee«, Paul Steinhardt fürchtet: »Die Wissenschaft käme zu einem deprimierenden Ende.«
Womöglich haben die Kosmologen die Grenze des Wissens erreicht. Die Frage nach der Zeit vor dem Urknall bliebe für immer unbeantwortet. Immerhin: Wenn Augustinus recht behielte, kämen sie dann in den Himmel. MAX RAUNER
6. Sind alle Krankheiten besiegbar?
NATÜRLICH, möchte man als fortschrittsgläubiger Mensch sofort antworten. Hätten wir beliebig viel Zeit und Geld und ginge man davon aus, dass alle Krankheiten eine Ursache haben, die Forscher finden und Ärzte beheben lernen können, dann müsste man alle Leiden therapieren können. Irgendwann, für alle Ewigkeit. Amen.
Der frisch gekürte deutsche Nobelpreisträger für Medizin ist jedoch skeptisch: »Durch mehr Grundlagenforschung könnten wir bei einigen Krankheiten sicher schneller vorwärtskommen.« Aber für die »voraussehbare Zukunft« hält es der Krebsforscher Harald zur Hausen für »absolut illusionär, mit unbegrenzten Mitteln auch nur das Krebsproblem zu lösen«.
Können wir durch die Erfolge der Medizin wenigstens dauerhaft gesünder werden? Würden mehr Menschen beherzigen, was bekannt ist, könnten 80 Prozent der Herz-Kreislauf-Todesfälle vermieden werden: durch gesunde Ernährung, mehr Bewegung und Verzicht aufs Rauchen. Wenn zusätzlich eine Wundermedizin jedes kaputte Herz und Gefäß reparieren könnte, dann würden zwar immer weniger Menschen an Herzleiden sterben, aber sie erkrankten häufiger an Krebs. Wäre auch der besiegt, würden Alzheimer oder Rheuma ihren Tribut fordern. Und verlören auch sie ihren Schrecken, drohten bisher unbekannte Leiden. Zudem sind die Menschen dem Ansturm immer neuer Erreger ausgesetzt. Wir können schon froh sein, wenn wir einen Schritt schneller bleiben als die Angreifer.
Der zweite Feind lauert in unserem Erbgut. Selbst wenn Forscher lernen könnten, krank machende Mutationen von einer normalen Variation zu unterscheiden und das Erbgut von ihnen zu befreien – niemand könnte vorhersagen, welche Gene die Menschheit in Zukunft benötigen wird. Wer die oft schmerzhafte und immer tödliche Conditio humana abschaffen will, der riskiert am Ende womöglich nur eines: das Überleben der Menschheit. VOLKER STOLLORZ
7. Können Maschinen intelligenter werden als Menschen?
SCHON IN DER BIBEL ist die Idee beschrieben: Als Gott den Menschen schuf, formte er ihn aus unbelebter Materie, aus Lehm, und hauchte ihm das ein, was wir heute Intelligenz nennen. Vor rund 50 Jahren machte die Wissenschaft sich diese Idee zur Aufgabe und begann, Maschinen mit künstlicher Intelligenz (KI) zu entwickeln. War der Optimismus anfangs noch gewaltig, kehrte bald Ernüchterung ein. Als etwa der IBM-Computer Deep Blue 1998 den amtierenden Schachweltmeister Garri Kasparow schlug, zeigte sich: Schach zu beherrschen macht eine Maschine noch nicht intelligent. Die Schwierigkeit beschrieb KI-Pionier Marvin Minsky so:
»1<I-Forscher haben sich mit Problemen beschäftigt, die Menschen schwierig finden, aber sie kommen nicht mit den Problemen voran, die Menschen leicht finden.«
Denn ein wichtiger Aspekt ist die praktische Intelligenz. Etwa, dass man ein Glas Wasser mit der Öffnung nach oben halten sollte. Eine Maschine kann mit Sensoren zwar feststellen, dass sich Wasser in einem Objekt befindet. Was das bedeutet, müsste aber in ihrer Wissensbasis enthalten sein.
Will man ihr nicht alle Details einprogrammieren, muss die Maschine lernen können – also aus wenig Wissen mehr Wissen schaffen. Mittlerweile sind sich die Forscher sicher, dass weder schiere Rechenleistung noch ein riesiger Datenvorrat das erreichen kann. Viele versuchen daher, Maschinen zunächst Emotionen beizubringen – einen Aspekt von Intelligenz. Erste Modelle für 1<I-Systeme sollen die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine verbessern.
Doch wie und wann der » göttliche Funke« überspringen könnte, bleibt offen. KI-Optimisten wie Ray Kurzweil setzen auf die steigende Vernetzung und Leistungsfähigkeit der Computer. Wenn sie sich weiter so rasant entwickelten, sagt er, werde Intelligenz von selbst entstehen, verlagere sich die Evolution von biologischen Systemen auf Maschinen.
Kurzweil glaubt, das könne schon 2030 passieren. Dann wissen wir mehr. NIELS BOEING
8. Wie entstand das Leben?
DIE IDEE des 22-jährigen Stanley Miller war simpel: Er wollte die Bedingungen auf der unbelebten Erde in einem Glaskolben simulieren.
Er füllte Wasser hinein sowie die Bestandteile der Uratmosphäre: Ammoniak, Methan und Wasserstoff. Elektrische Entladungen simulierten Blitze. Das Ergebnis wurde 1953 zur Welt-sensation: Die Theorie von der Ursuppe, in der das Leben auf der Erde entstanden sei, schien bestätigt. Doch das größte Rätsel der Biologie war noch ungelöst. In der Brühe fand Miller zwar Biomoleküle, etwa Aminosäuren. Doch wie waren daraus lebende Organismen entstanden?
Der Münchner Chemiker Günter Wächters-illäuser hat eine mögliche Erklärung: Die frühesten Stoffwechselvorgänge hätten sich unter hohem Druck in eisen- und schwefelhaltigen Tiefsee Gesteinen entwickelt – in der Nähe heißer Unterwasser-Geysire.
Diese ersten chemischen Reaktionen lieferten die Energie zur Bildung komplexerer Moleküle. Ein Kettenreaktion kam in Gang, die schließlich zum Entstehen von Eiweißen führte – einem Grundbaustein für Zellen.
Der Forscher Thomas Cech kam zudem auf die Idee, dass das Prinzip der Vererbung in einer RNA-Welt seinen Anfang fand. RNA ähnelt dem Erbmolekül DNA. Manche RNA-Moleküle – »Ribozyme« – beschleunigen biochemische Reaktionen enorm. In der Frühzeit des Lebens, so die Theorie, entstanden zufällig auch RNA-Bausteine, die sich selbst kopieren konnten. Dabei könnten sie zuweilen Fehler gemacht haben, sodass RNA-Moleküle mit neuen Eigenschaften entstanden: Die Evolution hatte begonnen. ULRICH BAHNSEN
9. Welches ist die kürzeste Route für die Müllabfuhr?
EINE SCHWIERIGE RECHENAUFGABE ist für den Laien eine, für die er beim besten Willen keine Lösung findet. Für Mathematiker ist eine Aufgabe schwer, wenn zwar ein Lösungsweg bekannt ist, aber die Rechnung selbst auf dem schnellsten Computer länger dauern würde, als das Universum besteht.
Eine leichte Rechnung ist das schriftliche Multi-plizieren. Nimmt man zwei n-stellige Zahlen miteinander mal, muss man n mal n Ziffern mul-tiplizieren und die Ergebnise addieren. Macht zusammen n2 Multiplikationen. Doppelt so lange Zahlen verlangen die vierfache Rechenzeit, dreimal so lange die neunfache. Selbst wenn die Rechenzeit mit n1000 wächst, finden Mathematiker das noch leicht. Sie sagen, das Problem lasse sich in »polynomialer Zeit« lösen, und nennen die Klasse dieser Probleme P.
Ein schweres Problem ist dagegen das folgende: Ein Müllwagen muss eine gewisse Zahl von Abfalleimern leeren.
Welches ist der kürzeste Weg? Auf den ersten Blick ist die Lösung einfach: Man schaut sich alle möglichen Touren an und wählt die kürzeste aus. Nur wächst die Zahl der möglichen Routen nicht
polynomial, sondern viel schneller: Wenn n+1 Tonnen zu leeren sind statt n, dann gibt es (n+1)-mal so viele Wege. Diese Zahl wächst für komplexe Touren schneller als jedes Polynom, auch schneller als n100° oder n<°°°°°°. Das Routenproblem, auch »Problem des Handlungsreisenden« genannt, gehört zu einer Klasse von Problemen, die mit NP bezeichnet werden. Und die sind es, die Mathematiker schwer finden.
Wenn stures Ausprobieren nicht weit führt – gibt es vielleicht einen geschickteren Weg, um die kürzeste Tour zu finden? Ist das anscheinend schwere Problem also doch ein leichtes? Diese Frage wird mit der Gleichung »P=NP« umschrieben: Wenn sie stimmt, dann gehören die schweren und die leichten Rechnungen letztlich zur selben Liga.
Wer die Frage beantwortet, kann reich werden. Die Clay Foundation zählt P=NP zu den »Millennium- Problemen« der Mathematik, für deren Lösung es jeweils eine Million Dollar gibt.
Die Müllauto-Frage gehört zu der interessanten Klasse von NP-Problemen, die sich durch eine seltsame Asymmetrie auszeichnen: Die Frage ist schwer – aber wenn einer eine Lösung anbietet, lässt sie sich auf »leichte« Weise überprüfen. Sol-che Probleme nennt man auch NP-vollständig, und für sie gilt: Wenn ein Problem in P liegt, dann gilt das für alle Probleme, und P ist tatsächlich gleich NP. Die Liste dieser Probleme umfasst mitt-lerweile über 3000 Fragen. Auch die Denkspiele Mastermind und Sudoku gehören dazu.
Das P=NP-Problem hat auch ganz praktische Auswirkungen. Verschlüsselungsalgorithmen basieren zum Beispiel darauf, dass man eine Zahl als Produkt zweier anderer darstellt. Eine solche Zerlegung zu ermitteln ist ein NP-Problem, während die Überprüfung einer gegebenen Zerlegung zu P gehört. Wäre P=NP, dann würden Geheimdienste und Banken überall auf der Welt um die Sicherheit ihrer Kommunikation fürchten.
Im Moment hat niemanliline Idee, wie sich die Frage beantworten ließe. Das erste Millennium- Problem, das vor zwei Jahren gelöst wurde, war seit mehr als 100 Jahren diskutiert worden. In einer Umfrage äußerten 61 von 100 Mathematikern die feste Überzeugung, dass P und NP tatsächlich verschieden sind. Aber Meinungen zählen in der Mathematik nicht – sie ist eine äußerst un-demokratische Wissenschaft. CHRISTOPH GRÖSSER
10. Woraus besteht das Universum?
DIE KOSMOLOGEN haben keine Ahnung, worüber sie reden: Die Materie, wie wir sie kennen, ist ein Randphänomen.
Sie macht nur fünf Prozent des Universums aus. Und der Rest? Ist ein Rätsel.
Lange dachten die Forscher, die Welt bestünde aus Sternen und den Staubwolken dazwischen. Dann entdeckten sie, dass manche Galaxien so schnell um sich selbst wirbeln, dass sie eigentlich auseinander- fliegen müssten. Irgendeine Masse hält sie mit ihrer Gravitationskraft zusammen. Doch die ist unsichtbar und viel reaktionsträger als bekannte Materie, sie verrät sich nur indirekt. Deshalb nannten die Kosmologen sie »Dunkle Materie«.
Viele glauben, dass eine unbekannte Art von Teilchen dahintersteckt: WIMPs, Weakly Interacting Massive Particles.
Mit Detektoren versuchen Physiker, ein WIMP zu fangen, bisher vergebens. Die zweite Möglichkeit wäre, selbst eines herzustellen. Mit dem riesigen Teilchenbeschleuniger LHC könnte das gelingen.
Die Physiker sind zuversichtlich, die Bausteine der Dunklen Materie in den nächsten Jahren mit ihren Experimenten dingfest machen zu können.
Doch die Kosmologen stehen vor einem noch viel größeren Rätsel. Vor zehn Jahren entdeckten sie, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt. Eine mysteriöse Kraft wirkt der bremsenden Gravitation entgegen. In ihr steckt eine enorme Energie, die alles an normaler und Dunkler Materie um ein Mehrfaches überwiegt. 70 Prozent des Universums waren wie aus dem Nichts aufgetaucht.
Auf »Dunkle Energie« haben Kosmologen das phantomhafte Etwas getauft, und sie haben keine Ahnung, was dahintersteckt. Manche zweifeln sogar an der Einsteinschen Gravitationstheorie.
Andere hoffen, dass die Dunkle Energie einfach verschwindet: Sie könnte nur eine optische Täuschung sein, der wir erliegen, weil wir in einer expandierenden Gegend des Universums wohnen. TOBIAS HURTER
11. Warum schlafen wir?
ZIEMLICH GEMEIN war das Experiment, mit dem Allan Rechtschaffen Ende der 80er Jahre herausbekommen wollte, was passiert, wenn man nicht schläft. Er setzte Ratten auf einen Drehteller über einem Wasserbecken. Sobald die Tiere einzuschlafen begannen, fing der Teller an zu rotieren, sodass sie laufen mussten, um nicht ins Wasser zu fallen und zu ertrinken. Nach zweieinhalb Wochen starben die Ratten. Schlaf ist offenbar lebensnotwendig. Aber warum?
Die einfachste Antwort lautet: Im Schlaf wird weniger Energie verbraucht. Doch Menschen sparen in acht Stunden gerade mal so viele Kalorien, wie eine Tasse Milch enthält, hat die Biologin Isabella Capellini ausgerechnet. Kein Grund, so viel Zeit zu vergeuden.
Sicher ist, dass sich der Körper im Schlaf erholt: Eiweiße werden aufgebaut und freie Radikale, die beim Stoffwechsel entstehen und das Erbgut schädigen, abgebaut. Das Großreinemachen könne aber nicht der eigentliche Grund für den Schlaf sein, sagt der Psychologe Jan Born: »Dazu müsste man nicht das Bewusstsein ausschalten.« Vielmehr gehe es um Sortierarbeiten im Gehirn. Im Tiefschlaf würden Erinnerungen vom Hippo- campus, wo sie im Wachzustand zwischengespeichert werden, ins Großhirn überspielt. »Im wachen Zustand würde das die Reizverarbeitung stören. Wir würden halluzinieren«, erklärt Born.
Um zu beweisen, dass Schlaf wichtig für das Gedächtnis ist, raubte der Psychologe von der Universität Lübeck seinen Probanden versuchs-weise den Tiefschlaf. Sie konnten sich tatsächlich am nächsten Tag schlechter an Gelerntes erinnern als ausgeschlafene Testpersonen. Ohne Schlaf kein Gedächtnis, folgert Born daraus. Und ohne Gedächtnis kein Bewusstsein. Denn ohne Erinne-rung würde das Erleben in einzelne Momente zerbröseln. Der Psychologe sagt es so: »Schlaf ist ein Bewusstseinsverlust, der Bewusstsein schafft.«
Doch es gibt Widerspruch, und zwar von Giulio Tononi: Schlafen sei nicht zum Speichern von Erinnerungen da, sondern zum Löschen, meint der Neurowissenschaftler. Im Schlaf würden die Nervenverbindungen, die sich über Tag durch Erfahrungen vermehrt haben, ausgedünnt, da das Hirn sonst schnell überlastet sei. Für Born müssen sich Speichern und Löschen aber nicht ausschließen, sondern könnten sich beim Sortieren ergänzen.
Ist das also die Lösung?
Nicht wenn es nach Jerry Siegel geht. Der Schlafforscher hat die Branche mit der Behauptung aufgemischt, Schlaf habe sich keineswegs entwickelt, weil er zur Regeneration oder zur Gedächtnisbildung nötig sei – sondern vor allem, damit wir keinen Unsinn machen. Wer einen Teil des Tages bewusstlos verbringt, hat schließlich weniger Gelegenheit, Fehler zu begehen. Das ist vorteilhaft fürs Überleben.
Doch vielleicht stimmen auch beide Erklärungen: Das Hirn könnte sich in der Evolution die bewusstlosen Schutzphasen zunutze gemacht haben, um Eindrücke zu sortieren. Vielleicht also haben wir nur ein Gedächtnis und damit ein Bewusstsein, nur weil wir schlafen. STEFANIE SCHRAMM
12. Wird die Wissenschaft eines Tages alle Fragen beantworten?
DIE FORSCHER haben ja schon viel hinbekommen. Sie haben Krankheiten wie die Pocken ausgerottet und mit
Raumsonden die Grenzen des Sonnensystems erforscht. Manch einer ist da versucht zu glauben, sie hätten auf alles eine Antwort. Schaut man aber nur ein wenig genauer ein, wird schnell klar: Es gibt eine ganze Menge Fragen, von denen man nicht weiß, ob die Wissenschaft sie je wird beantworten können.
Das liegt zum einen an der Komplexität der Dinge. Die Naturwissenschaften basieren auf den Prinzipien der Reduktion, der Abstraktion und der Idealisierung. Doch in der Biologie zum Beispiel gibt es viele Phänomene, die auf sehr komplexen Wechselwirkungen beruhen. Hier bringen uns diese vereinfachenden
Kategorien nicht weiter.
Komplexe Systeme begegnen uns auch in vielen anderen Bereichen, die aktuelle Finanzkrise ist ein gutes Beispiel dafür.
Neben diesen chaotischen Systemen gibt es aber auch Phänomene, die wir prinzipiell nicht fassen können. Bewusst wurde uns das durch die Quantenmechanik: Zwei Eigenschaften eines Teilchens lassen sich nicht gleichzeitig bestimmen. Diese Erkenntnis war eine regelrechte Abstrafung für alle, die glaubten, man könne alles erkennen, wenn man nur genau genug hinsehe.
Schließlich beschränken wir uns auch selbst. Wir stellen nur die Fragen, die unseren Vorstellungen entsprechen. So beschäftigten sich die Wissenschaftler, die die Befruchtung erforschten, lange nur mit der Beweglichkeit von Spermien. Dass auch die Eizelle eine aktive Rolle spielt, war vor der Emanzipation undenkbar.
Egal, in welchen Bereich wir schauen: Je besser wir die Dinge verstehen, desto klarer wird uns, was wir nicht verstehen. Deshalb wäre es überheblich zu glauben, die Wissenschaft könne alle Fragen beantworten. Sie beschenkt uns mit Erkenntnis, aber sie lehrt uns auch Demut.
Und dann sind da noch die letzten, großen Fragen. Woher kommen wir, was ist der Sinn des Lebens, was geschieht mit uns nach dem Tod? Denn was immer die Forscher auch herausfinden, eines gehtuns nicht in den Kopf: die Vorstellung, dass wir Menschen vergänglich sind. Der Tod ist in den Kategorien der Wissenschaft einfach nicht erklärbar.
Die Forschung hat vieles aufgedeckt, doch sie scheitert an der wohl tiefsten Frage: dem Geheimnis unserer Existenz.
RANGA YOGESHWAR
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